Filz im Grünen-Ministerium Habecks Klüngelwirtschaft

Eine Kolumne von
Alexander Neubacher

22.04.2023, 07.26 Uhr o aus DER SPIEGEL 17/2023

Die Staatssekretäre sind verschwägert, Familienmitglieder liefern Gutachten: Ist es nur trickreich oder schon dreist, wenn ein Ministerium wie ein Clan geführt wird?

Foto: Filip Singer / EPA
Wirtschaftsminister Robert Habeck hat ein Herz für Familienunternehmen. Man könnte sagen, dass er sein Ministerium selbst wie einen Familienbetrieb führt, mit grünen Brüdern und Schwestern im Geiste und in echt.

Da sind Habecks Staatssekretäre Michael Kellner und Patrick Graichen, zwei besonders enge Mitarbeiter. Die beiden sind verschwägert: Kellner, Ex-Bundesgeschäftsführer der Grünen, hat Graichens Schwester Verena geheiratet.

Verena Graichen arbeitet als Wissenschaftlerin beim Öko-Institut, einer grünen Vorfeldorganisation, die aus der Anti-AKW-Bewegung hervorgegangen ist. Als solche wurde sie von der Bundesregierung in den Nationalen Wasserstoffrat berufen, welcher an einen Staatssekretärsausschuss berichtet. Praktischerweise könnte Verena also ihren Mann Michael und ihren Bruder Patrick nicht nur privat in Energiefragen beraten, sondern auch während der Arbeitszeit.

Schamlose Vetternwirtschaft, die in jedem anderen Fall zu einem Sturm der Entrüstung führen würde?

Das Öko-Institut bekommt von der Bundesregierung regelmäßig bezahlte Gutachteraufträge zum Thema Umwelt- und Klimaschutz. Allein 2021 waren es laut Lobbyregister 34 Projekte mit Zuwendungen oder Zuschüssen von insgesamt mindestens 2,38 Millionen Euro. Mindestens 630.000 Euro kamen vom Wirtschaftsministerium.

Staatssekretär Graichen, Minister Habeck
Foto: Frederic Kern / Future Image / IMAGO

Ein aktuelles Projekt des Öko-Instituts für das Habeck-Ressort ist die Studie "Energie- und Klimaschutzprojektionen 2035/2050". Womit wir beim nächsten Familienmitglied wären: Jakob Graichen. Er ist Co-Autor der Studie, außerdem der Bruder von Patrick und Verena und somit ebenfalls ein Schwager von Michael.

Man kennt sich, man hilft sich. Dass der als Forschungskoordinator beim Öko-Institut tätige Felix Matthes (nebenbei Mitglied der Habeck-Kommission "Gas und Wärme" ) mit der früheren grünen Berliner Umweltsenatorin Regine Günther verheiratet ist, welche zusammen mit Patrick Graichens früherem Chef Rainer Baake wiederum jetzt die "Stiftung Klimaneutralität" leitet, wobei Baake von Habeck auch zum "Sonderbeauftragten für die deutsch-namibische Klima- und Energiekooperation" ernannt wurde - das alles sei hier nur am Rande erwähnt.

Nun könnte man sagen: Ist doch smart, wenn ein Clan für den Erfolg zusammenhält, siehe Kelly Family, Waltons, Remmo-Clan. Man könnte allerdings auch auf den Gedanken kommen, dass es sich um einen besonders schamlosen Fall von Klüngel handelt, der bei jedem anderen Minister zu einem Sturm der Entrüstung führen würde, womöglich gar zu Rücktrittsforderungen.

Doch irgendwie ist es Habeck gelungen, die Sache wegzudrücken. Als Medien wie die "taz" vor gut einem Jahr erstmals kritisch über das Friends-&-Family-Ressort berichteten , erklärte das Ministerium, es werde "selbstverständlich sichergestellt, dass keine Interessenkonflikte bei der Vergabe von Studien oder Aufträgen entstehen".

Na dann. Dass Michael, Patrick, Verena, Jakob, Felix, Rainer und die ganze Sippschaft mit den Interessen von Robert je in Konflikt geraten könnte, darf wohl tatsächlich ausgeschlossen werden.


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